26.12.2014

Gitter gegen Obdachlose

Anständige Menschen sitzen an Heiligabend nicht auf Bänken in der Innenstadt. Und falls das doch einer tun will, hindern wir ihn daran.
Das scheint die Vorstellung von christlicher Nächstenliebe in der französischen Gemeinde Angoulême zu sein. Oder vielmehr: der konservativen Verwaltung der Stadt mit etwa 40.000 Einwohnern nordöstlich von Bordeaux.
Die Gitter an neun Sitzgelegenheiten waren genau Heiligabend installiert worden, um Obdachlose und Trinker von den Bänken fernzuhalten.
Am Freitag hieß es, die Zäune seien aus Sicherheitsgründen vorläufig entfernt worden. Diese sogenannten Sicherheitsgründe sind eigentlich vielmehr eine spektakuläre Aktion von Jugendlichen.
Bild von tom

Ihnen war es am Donnerstag gelungen, in eine der käfigartigen Konstruktionen einzudringen. Dort ließen sich zwei Teenager auf der Bank kauernd fotografieren. Die Aufnahme der beiden, die wie in einer Zelle saßen, wurde per Internet verbreitet. Auf handgeschriebenen Zetteln an den Gittern war schon zuvor etwa "Schämen wir uns!" zu lesen.
Am Abend sollen zudem laut Bürgermeister Xavier Bonnefont vier weitere Gitter um die Bänke schwer beschädigt worden sein.
Die Installation der konservativ regierten Gemeinde hatte über die Weihnachtstage für Entrüstung und Diskussionen gesorgt. In sozialen Netzwerken etablierte sich #Angoulême als Schlagwort für die Auseinandersetzung. In den Kommentarspalten der örtlichen Zeitung "Charente Libre" gab es viel Kritik an der Aktion, die der Verwaltung unter anderem "Dummheit" vorwarfen. Aber auch Befürworter meldeten sich zu Wort. Der Bürgermeister habe versucht, das bekannte Problem zu lösen, schrieb ein Kommentator.
Die Gemeinde berief sich zur Begründung der Montage von Gittern um die neun Sitzbänke auch auf die Erfahrung örtlicher Ladenbesitzer. Von dieser Seite habe es Unterstützung für die Aktion an den Bänken in der Innenstadt parallel zu einem Einkaufszentrum gegeben. Die Sitzgelegenheiten würden fast ausschließlich von Obdachlosen benutzt. Der Sicherheitsbeauftragte der Gemeinde, Jean Guiton, berichtete von Vorfällen etwa mit alkoholisierten Personen oder Kämpfe mit Hunden. Zudem habe es Beschwerden von Passanten und Anwohnern gegeben.

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