01.07.2014

Über die Liebe zu sich selbst

Es war einmal eine Frau, die alles lernen wollte, was es zu lernen gab. So suchte sie einen Guru auf, der im entlegensten Gebirge in einer Höhle wohnte. Er gab ihr viele Bücher und Schriften. Dann ließ er sie allein, damit sie in Ruhe studieren konnte. 
Jeden Morgen kehrte er zurück, um die Fortschritte der Frau zu überprüfen. Er stellte immer die gleiche Frage: "Hast du alles gelernt, was es zu wissen gibt?" Und ihre Antwort lautete jedes Mal: "Nein." Darauf schlug ihr der Guru mit einer schweren Holzstange auf den Kopf. Diese Szene wiederholte sich monatelang.

Eines Tages betrat der Weise die Höhle, stellte dieselbe Frage und hörte dieselbe Antwort. Wie immer hob er den Stock, um sie zu schlagen. 
Aber an diesem Tag entriss ihm die Frau den Stock und unterbrach seinen Angriff in der Luft. Sie war zwar erleichtert, den täglichen Schlägen entkommen zu sein, fürchtete aber auch seine Vergeltung.
Zu ihrer großen Überraschung lächelte der Guru. "Ich gratuliere dir", sagte er, "du hast bestanden. Du weißt jetzt alles, was du wissen musst."
Verwirrt fragte die Frau: "Wie kann das sein?" Und der Guru antwortete: "Du hast gelernt, dass du nie alles lernen wirst, was es an Wissen gibt. Aber du hast gelernt, wie du den Schmerz beenden kannst."



Text: Sabine Standenat aus dem Buch: Lerne, dich selbst zu lieben, dann liebt dich das Leben
Bild: Mandala | Silent Winds of Change



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